Tendenzen in der deutschen Gegenwartssprache
Resumé:
Erstes Thema (Tempus: Schwierigkeiten mit der Zeit) spricht über ein Problem, wie im Deutschen genau die Zeit ausdrücken. Zur Paßgenauigkeit gehört der Inhalt der Aussage. Dann wie oft benutzt man verschiedene Tempusformen, welche Tempusformen konkurrieren miteinander usw.
Zweites Thema (Aktiv-Passiv-Oppositionen) befasst sich damit, wie oft und wo das Passiv oder das Aktiv man benutzt. Und auch bietet Konkurenzformen des werden-Passivs an.
Im Deutchen gibt es sechs
Tempusformen (Präsens, Präteritum, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I unf Futur
II), die mit den Inhalten der ihnen gewiesenen Zeitstufen (wie Gegenwart,
Vergangenheit, Zukunft) nicht übereinstimmen, und nicht monosem, sondern
polysem sind.
Was sagt Helbig und Buscha dazu?
- Die Tempusformen sind keine Indikatoren für objektive Zeit, als Leitgröße für die Wahl bestimmer Formen, also für den Tempusbrauch, fungiert die jeweilige Sprechzeit.
- Den sechs grammatischen Tempusformen entsprechen nicht sechs einfache Tempusbedeutungen, jede Form ist mehrdeutig. Doher empfiehlt sich eine doppelte Kennzeichnung: Bezeichnungen für die Formen: Präsens, Präteritum, Futur usw., sowie Bezeichnungen für die Inhalte: Gegenwart, Dauer, Gewohnheit, Zukunft, Vermutung, Befehl.
- Die Tempusformen kennzeichen nicht nur Zeitinhalte, sondern auch modale Inhalte, andererseits werden Zeitverhältnisse auch durch lexikalische Mittel ausgedrückt (gestern, heute).
Eine Analyse macht deutlich, wie viele Bedeutungen eine Tempusform haben kann.
Das Verb kommen:
Ausdruck : Da kommt er.
Inhalt: zeitlich gegenwärtig
Ausdruck: Er kommt jeden Tag nach Hause.
Inhalt: Wiederholung
Ausdruck: Er kommt morgen.
Inhalt: Zukunft
Ausdruck: Wahrscheilich kommt er morgen.
Inhalt: Vermutung
usw.
Die Präsensformen bedeuten eine sehr staarke Kokurrenz für die Formkategorien des Futurs (werden+Infinitiv). Im Deutschen benutzt man meistens Präsensformen, wenn man Zukünftiges ausdrücken will (ich fahre morgen nach Köln).
Früher verwendet man für Futur eine Umschreibung mit sollen und wollen, aber dann hat sich werden + Infinitiv als feste grammatische Kategorie durchgesetzt.
1975 findet H. Gelhaus zwei semantische Hauptvarianten und zwei Nebenvarianten für die Formkategorie Futur I heraus.
Die Tempusform des Futur II in
der deutschen Sprache nie eine volle Ausprägung gefunden hat. Also Futur II
benutzt man weniger und weniger.
Es gibt Kokurrenz zwischen Formen des Präteritums und des Perfekts. Das Perfekt könnte durch den zunehmenden Gebrauchs des Präteritums verdrängt werden. Da das Präteritum durch seine Kürze von größseren Prägnanz als das Perfek ist, wird es häufig auch dort gesetzt, wo das Perfekt stehen müsste.
Dieses Problem findet man in den Zeitungen. In der FAZ ist die Präteritum-Perfekt-Differenzierung ausgewogen, aber in der Bild-Zeitungen gibt es viele Kurztexte im Stile der Sensationsberichterstattung und viele Kurzformulierungen in Schlagzeilen und Kurzmeldungen. Also hier benutzt man mehr von dem Präteritum.
Insgesamt gesehen gewinnt das Perfekt vor allem dost an Boden, wo der Einfluß der gesprochenen Sprache zunimmt. Ein Beispiel bieten die Mundarten des Oberdeutschen. Als Ersatzform für das Plusquamperfekt haben sie eine neue Form gebildet: „Ich hab’s ganz vergessen gehabt“ für „ Ich hatte es ganz vergessen.“
Im heutigen Deutsch konkurrieren drei Genusarten miteinander: das Aktiv (Ingo öffnete die Tür), das Vorgangspassiv (Die Tür wurde von Ingo geöffnet) und das Zustandpassiv (Die Tür war geöffnet). In der Schriftsprache der deutschen Gegenwartssprache sind Aktiv und Passiv sehr ungleich verteilt. Auf das Aktiv entfallen im Durchschnitt etwa 93 %, auf das Passiv etwa 7 % (Vorgangspassiv ca. 5 %, Zustandpassiv ca. 2 %). Starke Gebrauch des Passivs ist in der Varietät der Fachsprache.
Es gibt so genannte Passivsynonyma, die gehören zu dem Passivfeld.
- Aktivsätze: Der Wagen bremste (Der Wagen wurde gebremst)
- bekommen/erhalten/kriegen + Part. 2: Er bekommt (erhält, kriegt) das Buch geschenkt.
- gehören + Part. 2: Dieses Verhalten gehört bestraft.
- sich lassen + Infinitiv: Das Fenster lässt sich öffnen.
- sein/bleiben + zu + Infinitiv: Der Schmerz ist kaum zu ertragen.
- Funktionsverbgefüge: Er bringt die Frage zur Entscheidung.
- Reflexivkonstruktionen: Das Buch verkauft sich gut.
- Wortbildungsmittel: De Platz ist unbespielbar.